Sage und schreibe fünf Mal ist Ferran Adria zum besten Koch der Welt gekürt worden. Sein Restaurant El Bulli gilt als der unangefochtene Gourmettempel unseres Planeten. Bis letztes Jahr. Da kam ein junger Däne, um Señor Adria zu stossen: vom Sockel des besten Kochs der Welt. Rene Redzepi dünstet Spargel in Fichtennadeln, serviert Spiegeleier auf Heu und kreiert andere verrückte Sachen, die alle eins gemein haben: sie müssen aus heimatlicher Umgebung stammen. Wer erstmal frische, dänische Luft geatmet, wilde Ostseebrisen geschnuppert und sich am herrlichen Grün dänischer Wiesen und Wälder berauscht hat, kann ihn gut verstehen, den Rene Redzepi – samt seiner Vorliebe für nordische Zutaten, Düfte und Aromen.
Im Zuge unserer dänischen Ermittlungen hegen meine Chef-Inspektörin und ich einen kühnen Verdacht: wir sind uns sicher, im Land, das den besten Koch der Welt sein eigen nennt, müssen sich noch etliche weitere Spitzenköche versteckt halten. Schlagartig wird uns klar: natürlich! – selbst der dänische Koch aus der Muppet-Show muss ein historisches Indiz früher, dänischer Feinschmeckerkultur sein.
“Smörebröd, römtömtöm, römtömtöm” ist kein Muppet-Klamauk, es ist ein Code für das kulinarische Dänemark. Zweifellos. Der Kreis schließt sich, unser Bild dänischer Küche nimmt immer eindeutigere Strukturen an. Wir sind dem Guten auf der Spur, und die führt uns nach Snogebæk bei Nexø. Hier entdecken wir das Den Lille Havfrue, ein Restaurant, das uns schon Gabriele Schwarzenburg, die Chefin von Only-Danish, bei ihrem Rouladenessen empfohlen hat.
Unser Inspektörs-Mobil rollt vor das Restaurant. Feiner Sand knirscht unter den Pneus. Eine salzige Brise liegt in der Luft. Als der Parkprozess abgeschlossen und die Scheinwerfer des Wagens erloschen sind, schreiten wir in das von aussen eher unauffällige Den Lille Havfrue. Uns dünkt ein erster, insgeheimer Eindruck: “Ja, hier könnte uns etwas Besonderes erwarten.” Eine freundliche Concierge bietet uns drei Tische zur Auswahl. Wir entscheiden uns für den am Fenster mit Blick auf sattes dänisches Grün. Das Interieur ist von angenehm gepflegter Atmosphäre in unauffälligem Schwarz-weiß. Einzig unsere rothaarige Kellnerin setzt einen dezent akzentuierten Farbtupfer und ihr weltumarmender Blick lässt mich sofort wieder in die dänische Gesamtsituation verlieben. Mit keckem Finger nimmt die Kellnerin unsere Bestellung auf: Mo entscheidet sich für die gedünstete Forelle, die heute leider aus ist. Mit der Kombinationsgabe einer Chef-Inspekteurin, die vor wenigen Tagen noch in London-Downtown ermittelt hat, switcht sie routiniert um. Mo hat das Chicken Club-Sandwich im Visir. Chicken Club-Sandwich klingt erstmal wie Chicken Club Sandwich – hat es im Den Lille Havfrue aber faustdick hinter den Ohren. Mit jedem Bissen taucht Inspektör Mo in die Welt von fröhlichen, freilaufenden dänischen Hühnern, die auf einem verträumten Bauernhof mit knackigen, muskulösen Burschen in blütenweissen Tanktops Hasch-mich-ich-bin-der-Frühling spielen.
Kurz: das Chicken Club Sandwich ist eine Offenbarung, Inspektör Mo glücklich.
Ich selber wähle Scholle. Scholle ist nicht aus, sondern wird zusammen mit einem Arrangement von Shrimps samt einer roten Königsgarnele zu fein abgeschmeckten Kartöffelchen serviert. Die Scholle zergeht auf der Zunge, die Shrimps überzeugen von sinnlich zartem Biss.
Doch das Allerbeste: die frisch gebackenen Brotstangen, die neben dem Mahl gereicht werden. Die schmecken so verdächtig gut, dass wir sie besonders streng inspizieren – und gleich zweimal nachbestellen müssen.
Zur Krönung unserer dänischen Gefühle dürfen wir abschließend noch die Bekanntschaft mit einem kleinen Klaren machen: Original Bornholmer Aquavit. Skol! So klein wie er, so gemütlich wie Bornholm ist, rollt er allerdings verdammt schnell die Kehle runter.
Lecker.
Resümierend bedanken wir uns bei der hinreissenden Kellnerin für den vorzüglichen Service und dem dänischen Koch für den famosen Mittagstisch. Den Lille Havfrue – eine Adresse, die man gerne weiterempfielt. Den Lille Havfrue heisst übrigens kleine Meerjungfrau.
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